Rechenmaschinen für die Soziologie
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Bevor ich von der Universität Konstanz Ende 1973 nach Klagenfurt kam, hatte ich sehr viel von einer "technokratischen Bildungshochschule" gehört und gelesen. Also nahm ich selbstverständlich an, dass ich dort meine beabsichtigte Forschung mit Hilfe von EDV durchführen konnte. Aber das war ein Irrtum: Nicht ein einziger Computer war an der Hochschule zu finden. Ich durfte bei der KELAG rechnen. Anlässlich ihres Besuchs in Klagenfurt fragte mich Bundesministerin Firnberg, wie es mir gehe. Ich sagte im Prinzip sehr gut, aber ich habe keine Rechenmöglichkeiten. Da klopfte sie mir auf die Schultern und fragte mich, was ich denn brauche. Ich kalkulierte kurz eine "Alphatronic" als Tischrechner, ein Lochkartenstanzer und eine Sortiermaschine ... also insgesamt etwa 400.000 Schilling. Sie klopfte mir wieder auf die Schulter und sagte beruhigend: "Das besorge ich Ihnen." Sie rief den damaligen Direktor der Nationalbank Heinz Kienzl an und einige Tage später erhielt ich tatsächlich 400.000 Schilling. Daraufhin kaufte ich eine neue Alphatronic und besorgte von einem Innsbrucker Obstgroßhändler einen gebrauchten Lochkartenstanzer und eine Sortiermaschine second hand. Daraufhin konnte die bereits 1973 begonnene Längsschnittstudie "Kärntner Maturanten 1973" im jeweiligen Abstand von 2 Jahren siebenmal befragt und die Daten im Hause verarbeitet werden.

Eine Anekdote: Der Abschlussbericht dieser damals längsten Panelstudie im deutschen Sprachraum zur Bildungssoziologie wurde dem Landeshauptmann Leopold Wagner überreicht. Ich hatte erwartet, dass er sich für die Ergebnisse interessierte, aber stattdessen übergab er den Forschungsbericht mit den Worten "Für das Archiv!" unangeschaut seinem Assistenten. Ich war etwas enttäuscht – denn wer sollte sich mehr für die Berufswege von Kärntner Maturantinnen/Maturanten interessieren als der Landeshauptmann? –; zumal mich sonst der Landeshauptmann bei der Herausgabe der "Klagenfurter Beiträge zur bildungswissenschaftlichen Forschung" und zur Gründung des "Forschungsentwicklungsfonds" finanziell über mehrere Jahre unterstützt hatte.

Paul Kellermann (Autor)

Foto: www.iser.uni-erlangen.de


Foto: AAU Archiv

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