Ernst von Glasersfeld, der Begründer des Radikalen Konstruktivismus und Ehrendoktor der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, wurde 1917 in München geboren, der Vater war k.u.k Diplomat, die Mutter Skirennläuferin. Aufgewachsen in Südtirol und in der Schweiz ist Glasersfeld schon als Kind mehrsprachig. 1937 ging Ernst von Glasersfeld als Skilehrer und Rennläufer nach Australien und wurde dort sogar erster australischer Abfahrtsmeister. Eine Fortsetzung seines Mathematikstudiums an der Universität Wien war 1938 unmöglich; er emigrierte über Paris nach Irland. Dort lebte er als Farmer und beschäftigte sich mit den Werken von Vico und Joyce. Nach dem Krieg kehrte er zurück nach Südtirol und arbeitete als Kulturjournalist für den "Standpunkt" und die "Weltwoche".
Durch die Bekanntschaft mit dem italienischen Philosophen Silvio Ceccato fand Ernst von Glasersfeld seinen Weg in jene interdisziplinäre Form des wissenschaftlichen Arbeitens, die für ihn bestimmend geblieben ist. Seine Arbeit am Zentrum für Kybernetik der Universität Mailand führte zu einem Projekt über maschinelle Übersetzung, das er später an der University of Georgia in den USA fortsetzte. Dort entwickelte er auch "Yerkish", eine erste Sprache für Kommunikationsversuche mit Schimpansen.
Durch seine Arbeiten zum Radikalen Konstruktivismus wurde er zu einem der einflussreichsten Denker der Gegenwart.
In den späten Jahren seines langen Lebens hat er viele Auszeichnungen erhalten. 1997 verlieh ihm die Universität Klagenfurt das Ehrendoktorat für seine Verdienste um die Entwicklung der radikal konstruktivistischen Wissenschaftstheorie als Grundlegung für eine Neuorientierung der Wissenschaften. Es folgten Ehrendoktorate der Universitäten Innsbruck und Quebec, das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst und das Goldene Ehrenzeichen der Stadt Wien.
Glasersfeld starb am 12. November 2010 im Alter von dreiundneunzig Jahren in seiner Wahlheimat in Amherst, Massachusetts in den USA.
Text: Josef Mitterer, red. bm, 26.01.2012
Foto: Eduardo Martins