3.10.2009
Wir waren nervös, als wir um sechs ins Auto stiegen, sodass wir sogar unseren Tee zu trinken vergessen hatten, was wir aber erst merkten, als wir am späten Abend wieder nach Hause kamen.
Etwas nach sieben startete der Bus Richtung Italien und wir trafen vor neun am Zielort Moggio Udinese ein. Im Vorhof des Klosters waren die jungen Architekten der Gruppe Feld72, vorgestellt von Kuratorin Inge Vavra, gerade dabei, Alurahmen auszulegen, die Grundrisse der Häuser des verlassenen Dorfes jenseits der Berge. Allgemeine Begrüßung.
Die Einzelteile mussten wir schultern und dann wanderten wir in einer Prozession los. Über den Sattel steil bergan und fast so arg wieder abwärts, längs des Kalkgebirges, über die und vorbei an der Abbruchstelle, an die ich schon tagelang gedacht hatte, seitdem sie mir als gefährlich beschrieben worden war. Erfahrene Bergführer sicherten die Stelle, sodass, zumal in der letzten Woche der ursprüngliche Weg nach dem Bergrutsch wieder freigelegt worden war, keine Gefahr bestand. Nach stetem Auf und Ab erreichten wir schließlich Moggessa di qua, das fast ganz verlassene erste Dorf. Vor den Mauerresten versammelten sich die Rahmenträger zum Gruppenfoto, dann ging es nach der Dorfbesichtigung weiter nach Moggessa di là, unserem noch ferneren Bestimmungsort. Vor mir marschierte eine stramme Bäuerin, die gerade ihrer Begleiterin erzählte, wie ihr Hund beim Erdäpfelernten auf dem Zuruf: „Miška, Miška!“, eine gewaltige Anzahl von Mäusen zur Strecke brachte. Dieser M äusetöter war einer von drei Hunden, die sich tapfer mitschleppten. Samy, der schwarze, was wohl nichts zu bedeuten hat, war nach der Anstrengung ganz hin. „Samili“ steckte später im Bus seine Schnauze in die Pfoten und regte sich lange nicht mehr.
Hinter und vor uns wurde in Slowenisch, Italienisch und Deutsch gesprochen. Ob die Italiener ihren Dialekt verwendeten oder die Slowenen? Aus der fremden Sprache kamen manchmal ganz bekannte Wörter. Dort bat ein Junge: „Papa, erklär mir die Tollwut!“ Und jemand erzählte von seinem Vorstellungsgespräch in Wien. Unter den Mitwanderern befanden sich einige Bekannte, mit denen wir ein paar Worte wechseln konnten. Mein ehemaliger Professor erkannte mich wohl nicht mehr, obwohl er oder weil er jünger ist als ich.
Wir wurden mit allerlei Leckerbissen und Wein gelabt, während die Architekten mit starken und behänden Freiwilligen die Rahmen zuerst zu sechs Würfelflächen und dann zum Kubus zusammenbauten. Die Arbeit an „unserer“ Fläche übernahm hammerführend gleich ein Laie mit zwei rechten Händen mit großem Eifer, er organisierte sich den Plan, wodurch einige andere nutzlose Zuschauer wurden. Während viele aßen und tranken und sich rund um lagerten, arbeiteten wenige am Werk, überzogen es endlich mit weißer und schwarzer Folie und vollbrachten wegen der Größe und der Tücke des Objekts akrobatische Leistungen wie Huckepack. Die Tür machte länger Schwierigkeiten, sollte die Camera obscura nach dem Fertigstellen doch funktionieren. Abhilfe kam aus Wien. Vielleicht hatte man sich doch zuviel vorgenommen.
Wir schauten uns in der Ortschaft um, die Reihenhäuser verwinkelt und verschachtelt, enge Gässchen, eingestürztes Mauerwerk, verwachsene Innenräume, vorne ein Gärtchen mit Paprika und Gewürzen, ein Apfelbaum. Nach Westen schaut man in ein größeres bewaldetes Tal.
Der Wahlitaliener Kaspar, der Naturbursche aus Steuerberg war gekommen, er besorgte für uns das Catering, einer redete vom agnus dei. Hatte der Zwetschkenkuchen auch einen Polentabelag? Die paar Ureinwohner kamen und staunten und halfen und sahen gar nicht so glücklich aus, wie man sich „freie“ Menschen eigentlich vorstellt. Man merkte ihnen die Plage um das Alltägliche schon an.
Inzwischen hatte ich meinen Film verknipst, rundum waren dauernd die Kameras im Einsatz, so gut dokumentiert wird lange kein Ereignis sein.
Über allem wachten mit scharfen Augen G. Pilgram und E. Krištof vom UNIKUM, die Organisatoren neben den italienischen und slowenischen Mitorganisatoren. Sie können stolz auf diese gelungene Aktion mit so vielen glücklichen Teilnehmern sein.
Mit dem vielsprachigen Kapitän E. „landeten“ wir um neun spät und sehr müde wieder in Klagenfurt. Danke!
Ich weiß, dass vor eineinhalb Jahrhunderten ein Architekt aus Moggio, der meinen Familiennamen trug, in Graz recht viel gebaut hat, deshalb schauten wir uns auf dem Rückweg etwas im Friedhof um. Und ich staunte nicht schlecht, als gleich auf dem fünften Stein in der ersten Reihe dieser Name stand. Sollte eine meiner Wurzeln auch hierher führen?
Herbert De Colle
FILM: BLACKBOX, installation and art action by FELD72 (AT, IT, FR) at Moggessa di Là on october 3rd 2009 | Video by PAOLO COMUZZI (IT) | Produced by UNIKUM Klagenfurt/Celovec
Video: UNIKUM